Nachhaltigkeit und Kunst – mit Joseph Beuys begann es

„Kunst ist die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden können.“

Joseph Beuys

Das legendäre Kunstwerk von Joseph Beuys, welches 1982 auf der documenta 7 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, bildet den Ur-Beginn des aktiven Einsatzes von Künstler und Künstlerinnen im allgemeinen Kampf für oekologische Nachhaltigkeit.
Beuys pflanzte im Verlauf mehrerer Jahre 7000 Bäume mit je einem Basaltstein. Er hatte das Ziel, den urbanen Raum nachhaltig zu ändern. Projektname: Soziale Plastik.
Den ersten Baumstamm hatte Beuys am 16. März 1982 vor dem documenta-Museum selber in die Erde geschaufelt; den letzten setzte sein Sohn Wenzel am 12. Juni 1987 daneben.

„Die Bäume sind nicht wichtig, um dieses Leben auf der Erde aufrecht zu erhalten. – Die Bäume sind wichtig, um die menschliche Seele zu retten.“

Das Werk ist in seinem Doppelcharakter zum einen als verankert in der Tradition der Moderne, zum anderen als Start für die Transformation in die Soziale Plastik. Die Steine gingen aus der Kunstdomäne documenta sukzessive in den urbanen Bereich der Stadt Kassel über.

Zur Finanzierung der Bäume spendeten Private, Firmen und Organisationen des Kunstbetriebes, verkaufte Beuys Eichen-Poster, machte ertragreiche TV-Spots in USA und Ländern Asiens sowie Beuys-Kollegen stifteten Werke, welche dann versteigert wurden.

Der gesellschaftliche Prozess dieses Kunst-Projektes kann als ein Ur-Modell für urbane Social Innovation, für das konstruktive Zusammenwirken von Politik, Kunst und Bürgerinteressen, gesehen werden.

“… dass jetzt eigentlich nur ein Anfang gesetzt wird.
Da wird ein Baum gepflanzt, da steht ein Stein daneben, der markiert:
In dieser Zeit, in der wir über diese ganzen Fragen der Wiederverlebendigung von Lebenslinien in der Natur, die ja durch die allgemeine Zerstörung unmenschlichen Wirtschaftens in Gefahr ist,
dass zu dieser Zeit Menschen also sich aufgemacht haben und einmal die Richtung umgedreht haben.”

Bild : Courtesy of topalovic.arch.eth
Literatur: https://www.7000eichen.de/

“Der gewachsene und weiter wachsende ästhetische Organismus greift auf unmittelbar verständliche Weise radikal und nachhaltig in die visuelle, ökologische und soziale Struktur des urbanen Lebensraums ein.”

Stadt Kassel
” 20 Jahre Joseph Beuys: 7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung”
Magistrat der Stadt Kassel, Kulturamt, 2003

Seit den 1990er Jahren ist das Interesse von Künstlern, Kuratoren und Theoretikern an kollaborativer Kunstpraxis gestiegen. Die Künstler setzen sich direkt mit einem bestimmten Publikum und mit dringenden Problemen auseinander und produzieren Werke, die in ihrer Absicht von der Förderung von Reflexion, Konversation und Lernen bis zur Entwicklung konkreter Lösungen reichen.

Viele inter- und transdisziplinäre Forscher aus verschiedenen Horizonten haben ihre Bemühungen in den letzten Jahrzehnten einem Suchprozess nach wünschenswerten Zukunftsaussichten unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltige Entwicklung“ gewidmet.

“Artists cannot change the world…alone. But when they make a concerted effort, they collaborate with life itself, working with and between other disciplines and audiences, and given the chance to be seriously considered outside the rather narrow world of art, they can offer visual jolts and subtle nudges to conventional knowledge.”

Weather report: Art and climate change
LR Lippard, S Smith, A Revkin – 2007 – Boulder Museum of Contemporary Art

Cultura21 is a transversal, translocal network, constituted of an international level grounded in several organizations around the world.
http://www.cultura21.net/

Sacha Kagan
“Art and Sustainability- Connecting Patterns for a Culture of Complexity”
Columbia University Press
August 2011, ISBN: 9783837618037

G. Steinmann

Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 7 – George Steinmann, Video 1:09

Corippo


Austellungen “Kunst & Nachhaltigkeit” bei der Mobiliar

Die Ausstellungen bei der Mobiliar präsentieren schon seit Herbst 2013 mit Erfolg regelmässig die Reihe «Kunst & Nachhaltigkeit».

Ein Übungsfeld für kreatives Denken und Handeln – genau das möchten wir mit der Ausstellungsreihe «Kunst & Nachhaltigkeit» schaffen. Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden sowie Gäste der Mobiliar wollen wir dadurch für gesellschaftsrelevante Themen sensibilisieren.

Mit dem Kunstwerk betritt Steinmann ein Themenfeld, das in der Regel von einer naturwissenschaftlich-technischen oder soziologisch-wirtschaftlichen Argumentation bestimmt wird. Indem er jedoch die Ästhetik und die künstlerische Wahrnehmung ins Zentrum seiner Forschungsarbeit stellt, unterstreicht er den Anspruch des Künstlers, als gleichberechtigter Diskussionspartner der Wissenschaften aufzutreten.

Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 13

Die 13. Ausgabe der Ausstellungsreihe Kunst & Nachhaltigkeit ist dem Schweizer Künstler Beat Streuli gewidmet. Er fängt mit der Kamera Strassenszenen auf der ganzen Welt ein. Neben seinen Foto- werden auch umfangreiche Videoarbeiten gezeigt.
Diese zur Zeit laufende Austellung vom 17. März 2020  bis 4. Januar 2021 ist zur Zeit aufgrund der aktuellen Situation vorübergehend geschlossen.

Quelle: Die Mobiliar-Kunstsammlung
Die Mobiliar, Bundesgasse 35, 3001 Bern
https://www.mobiliar.ch/die-mobiliar/engagement/kunst-und-kultur/ausstellungen-und-fuehrungen


Ausstellung Potential Worlds

Gruppenausstellung Potential Worlds 2: Eco-Fictions
Migros Museum für Gegenwartskunst
Zürich 24. Oktober 2020 bis 21. Februar 2021

Die Gruppenausstellung Potential Worlds 2: Eco-Fictions beschäftigt sich im Anschluss an Potential Worlds 1: Planetary Memories mit spekulativen Entwürfen des Beziehungsgeflechts zwischen Mensch und Natur vor dem Hintergrund der gegenwärtigen ökologischen Situation. Die Konsequenzen der Naturzerstörung zeigen die Notwendigkeit, den Menschen als Teil, nicht als Zentrum der Welt zu begreifen.

Der erste Ausstellungsteil, Potential Worlds 1: Planetary Memories, beleuchtete, wie sich Menschen die Umwelt zur Gewinnung von Macht und Ressourcen angeeignet haben und welche Folgen für die Natur sowie für soziale Zusammenhänge daraus entstanden sind.

Daran anknüpfend, wird in Potential Worlds 2: Eco-Fictions danach gefragt, welche potenziellen Welten in diesen menschgemachten Ruinen entstehen können:
Wie kann mit dem Müll der Gegenwart und den Spuren der Zerstörung umgegangen werden?
Wie kann angesichts der gegenwärtigen weltweiten prekären Lage nach neuen Lebensformen gesucht werden?
Welche Rolle kann dabei die Kunst als technologisches, wissenschaftliches und soziales Experiment übernehmen?

Die Künstler*innen der Ausstellung entwerfen Visionen für potenzielle Welten und machen deutlich, dass es bildhafte Zukunftsvorstellungen braucht, damit alternative Lebensformen entstehen können. Sie reflektieren unseren Umgang mit der Natur und schaffen Vorstellungen von neuen Formen des Lebens auf der Erde – lassen Sie sich inspirieren!

Künstler*innen:

Korakrit Arunanondchai, Anca Benera & Arnold Estefán, Dora Budor, Burton Nitta (Michael Burton & Michiko Nitta), Cao Fei, Julian Charrière, Carl Cheng, Jimmie Durham, Peter Fend, Tue Greenfort, Joana Hadjithomas & Khalil Joreige, Helen Mayer Harrison & Newton Harrison, Louis Henderson, Mary Maggic, Mileece*, MOON Kyungwon & JEON Joonho, Adrián Villar Rojas, Pinar Yoldas, Zheng Bo

Begleitend zur zweiteiligen Ausstellung liegt eine Publikation mit Texten von Benjamin H. Bratton, T. J. Demos, Suad Garayeva-Maleki & Heike Munder, Reza Negarestani und Jussi Parikka, sowie Kurztexten von Milena Bürge, Anna Fech und Rabea Kaczor vor.

Kuratorinnen:
Heike Munder, Leiterin Migros Museum für Gegenwartskunst
Suad Garayeva-Maleki, ehemalige Leiterin YARAT Contemporary Art Space

Quelle: Besuchertext der Ausstellung

Öffnungszeiten
Di/Mi/Fr/Sa/So 11–18 Uhr
Do 11–20 Uhr

Migros Museum für Gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
CH-8005 Zürich
Tel +41 44 277 20 50
https://migrosmuseum.ch/ausstellungen/potential-worlds-2-eco-fictions


Oslo Night Kulturfestival im Dreispitz

Vielfältiges Programm und neue Partner.

Gleich zu Beginn der OSLO NIGHT warten bereits ab dem Nachmittag zahlreiche Führungen auf die Besucherinnen und Besucher, so die Ausstellungen «Real Feelings. Emotionen und Technologie» im Haus der elektronischen Künste Basel HeK und «Processes III – Werkschau Carlos Varela» im Ateliers Florenz.

Neu dabei ist in diesem Jahr das Impact Hub Basel, welches in Kooperation mit dem Atelier Mondial einen Talk zur Nachhaltigkeit in den Bereichen Kunst und Gestaltung veranstaltet, moderiert von Danielle Bürgin, Radio X, welches wiederum zu Rundgängen ins Studio einlädt. Im Haus Oslo Ateliers gewähren Künstlerinnen und Künstler mit einem besonderen Screening Einblicke in ihr Schaffen.

Nachhaltigkeit und Kunst – ein Gespräch zwischen Architekten und Künstlern

Podiumsgespräch mit Teilnehmern vom Atelier Mondial und dem Impact Hub Basel.

Während der Oslo Night am 26. September 2020 fand ein Podiumsgespräch zwischen dem Atelier Mondial und dem Impact Hub Basel statt. In dem Panel sprachen vier Vertreter*innen aus Kunst und Architektur über das Thema Nachhaltigkeit.

Das Atelier Mondial offeriert ein internationales Stipendium-Programm und ermöglicht Kunstschaffenden verschiedener Bereiche aus der Region Basel, dem Kanton Solothurn und den Gebieten Südbaden und Elsass einen mehrmonatigen Werkaufenthalt in einem von rund elf Partnerländern weltweit. In Basel gibt es sieben Wohn-Ateliers für ausgewählte internationale Gastkünstler*innen.

Welche Rolle spielt das aktuelle Thema der Nachhaltigkeit aktuell in der Kunst?

Der Impact Hub Basel steht für Innovation und Wandel sozialer und ökonomischer Unternehmungen. Er ist Teil eines internationalen Netzwerkes von Impact Hubs auf der ganzen Welt. Neben den Coworking-Plätzen bieten sie auch ein vielseitiges Förderprogramm für junge Start-Ups an und laden Interessierte zu Veranstaltungen rund um verschiedene Wege, die Welt zu verbessern, ein.

Für beide Initiativen ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema.

Zum Gespräch eingeladen sind die beiden Künstlerinnen Hannah Kindler und Nika Timashkova, die beide das Master Programm TRANS– Socially Engaged Art Practices studierten und beide mit dem Medium Textil arbeiten. Weitere Teilnehmer sind Oliver Seidel vom „baubüro in situ“ in Basel, das auf nachhaltige Umnutzungsarbeiten von Gebäuden spezialisiert ist und von der renommierte Architektin Barbara Buser geleitet wird, und der Architekt Andreas Schneider, der im Büro Ralf Steiner, gegenüber des Veranstaltungsareals, arbeitet und gleichzeitig, im Spannungsfeld zwischen Architektur und Kunst, als freischaffender Künstler ein Atelier vor Ort hat.

Einer der Schwerpunkte von “in situ“ ist die Wiederverwertung von Bauteilen und die Abfallvermeidung. Es ginge darum, das Bauen selbst in den Vordergrund zu stellen und seine ökologischen sowie sozialen Aspekte. Wie können wir unsere Bedürfnisse einer dringend benötigten Regenerierbarkeit von vorhandenen Ressourcen anpassen?

Die Textil-Künstlerinnen sprechen von einer geschichtlich-gewachsenen Struktur und untersuchen im Kontext von Stoffen unter anderem deren kolonialistische Vergangenheit. Dabei stellt sich auch immer wieder die Frage: Wo stehen wir heute? Nachhaltigkeit bedeute schliesslich auch, an einem Thema über längere Zeit dran zu bleiben, sich für die Arbeit ein Netzwerk aufzubauen, das trägt – am besten lokal. Es gehe also auch um Beziehungen.

Was ist die aktuell grösste Herausforderung?

Der Architekt spricht davon, Bewusstsein zu schaffen, und zwar nicht nur materiell, sondern auch insofern, dass es darum ginge, eine Haltung zu entwickeln und innere Ressourcen zu stärken, es ginge um Konfliktbewältigung, Akzeptanz und das Aufbauen eines gesunden Miteinanders.

„in sito“ erinnert, in Bezug auf das Bauen, dass zukünftig immer mehr Menschen in Städten leben werden, dass dies ein rasantes Wachstum an Gebäuden bedeute, vor allem auch mit einem Anstieg an Beton-Verwertung einherginge. Dieser sei ein CO2- Dinosaurier. Es ginge also darum, echte Alternativen für diesen Baustoff zu finden. Verdichtung müsse auch anders möglich ein. Material müsse vermehrt wiederverwertet werden. So ginge es auch in der Kunst um eine Integration materieller Reste. Ausserdem, nehmen die Rednerinnen noch einmal Bezug zu der zeitlichen Dimension künstlerischer Projekte und dessen Planung. Wie auch in der Modebranche, fände ein viel zu schneller Wechsel von immer wieder neuen „Kunst-Kollektionen“ statt – gemeint ist eine gewisse gängige Erwartung der Öffentlichkeit, von Institutionen oder auch die Ansprüche, die Künstler*innen selbst an sich stellen, in kurzer Zeit viele Werke zu produzieren bzw. immer wieder neue Entwicklungen auch physisch mit grossem Materialeinsatz zu verwirklichen. Aber ist Experimentieren nicht auch sinnvoll? Müsse man den gesamten Kunstmarkt womöglich neu organisieren? Das Problem in Bezug auf die Nachhaltigkeit in der Kunst befände sich klar auf strukturelle Ebene, sagen die beiden Expertinnen. Nachhaltige Entscheidungen treffen und damit eine Langlebigkeit inklusive kreislaufartiger Recycling- Prozesse anzuregen, das sei eine Intention der beiden Textil-Künstlerinnen, die schonmal 1-2 Jahre durchgängig an einem Projekt arbeiten.

Nun stellte sich noch die Frage, ob Corona das generelle Tempo in den diskutierten Bereichen vielleicht verlangsamte. Aber nach einem erst eingetretenen Stillstand kam eine Menge Arbeit auf einmal und dies führte, gegenteilig zur Entschleunigung, zu einer Überbelastung. Der Architekt wirft ein, dass während der ruhigen Phase Zinsen günstig waren und so viele Investitionen gemacht wurden, was gut für die Baubranche war. Aber wie kann man eine gleichmässigere Verteilung schaffen? Und wie würde sich dann nun mehr Nachhaltigkeit auf die Beschäftigung auswirken?

Wenn Veränderungsschritte wirklich notwendig seinen, so wie jetzt aktuell in der Corona-Krise erfahrbar, seien sie eben auch möglich zu gehen. Dies sollte uns Anlass geben, auch die Chance für mehr Nachhaltigkeit bewusst wahrzunehmen und dafür zu sensibilisieren.

Die Moderatorin fragt nach Vorbildern der vier Podiumsredner*innen und merkt den offenen Punkt an, wo die Schweiz eigentlich stehe in Sachen nachhaltige Entwicklung, woraufhin es hiess, dass diese schon noch viel Abfall produziere.
Seidel lobt dafür England, Holland und Belgien mit ihrer Wiederverwendbarkeit in der Architektur. Er bringt die historische Kathedrale als Beispiel für ein gelungenes System – da wurde jeder Stein genutzt. Ein Schlüsselwort sei Suffizienz.

Schneider erwähnt die Markthalle als „tolles Beispiel“, an deren Arealumnutzung „in sito“ gerade arbeitet.

Die Vision von Kindler und Timashkova sei es den Schwerpunkt soziale Aspekte in der Kunst zu stärken – mehr Empathie zu schaffen und Ausbeutung zu überwinden. Künstler*innen seien sich gegenseitig ein Vorbild in der Mit-Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse und sollten sich selbst, gegenseitig und der Welt weiterhin mehr Zeit, Vertrauen und Geduld schenken.

Das Projekt Markthalle Basel

Die Markthalle Basel, ursprünglich von dem Ingenieur Adolf Goenner und seinem Partner, dem Architekten Hans Ryhiner entworfen und 1929 errichtet, war zum damaligen Zeitpunkt der drittgrösste Stahlbeton-Kuppelbau der Welt, der bis 2004 für den Marktbetrieb genutzt wurde. Danach stand die Halle einige Zeit leer. Seit Oktober 2013 wird nun mit einem neuen Konzept vom Team um Barbara Buser versucht, den Bau, 2016 von der Edith Maryon AG, einer Tochterfirma der gemeinnützigen Stiftung Edith Maryon aus Basel, erworben, wieder in ihre ursprüngliche Funktion als Marktplatz und Treffpunkt zurückzuführen. So kann die Neue Alte Markthalle als Kulturort und Verpflegungs-Stätte mit Streetfood-Ständen aus aller Welt erhalten bleiben.

HeK Haus der elektronischen Künste Basel
Campus der Künste, Dreispitz Basel
https://oslonight.ch/

© Innovator’s Guide Switzerland, 3. November 2020